Der Nabu Hatten sammelt seit über einer Woche Unterschriften für das Volksbegehren Artenvielfalt. Kritik an der Aktion kommt aus Politik und Landwirtschaft.
GEMEINDE HATTEN. Das niedersachsenweite Volksbegehren Artenvielfalt wird in Hatten maßgeblich vom Nabu mit einer Unterschriftensammlung unterstützt. Die Initiative bekommt
mittlerweile – unabhängig voneinander und von verschiedenen Seiten – Kritik. Hier ein Überblick der Standpunkte:
Axel Brammer (SPD)
SPD-Landtagsabgeordneter Axel Brammer, Mitglied im Ausschuss für Umwelt, Vertreter im Stiftungsrat der Bingo!-Umweltstiftung und selber Nabu-Mitglied, zeigt sich im Gespräch mit der NWZ
„enttäuscht“ vom Vorgehen des Nabu. Er verweist auf den „Niedersächsischen Weg“, ein Maßnahmenpaket für den Natur-, Arten- und Gewässerschutz, das zwischen dem Land Niedersachsen und den
Landesverbänden des Nabu und BUND sowie dem Landvolk Niedersachsen und der Landwirtschaftskammer vereinbart worden ist. In dem Papier verpflichtet sich die Landesregierung dazu, gemeinsam
mit Akteuren der Landwirtschaft und des Naturschutzes konkrete Maßnahmen für mehr Natur- und Artenschutz konsequent umzusetzen.
„Das ist kein Wischiwaschi-Papier, sondern wir haben einen konkreten Zeitplan und konkrete Ziele definiert“, betont der Kirchhatter. Auch strittige Themen wie ein Grünlandumbruchverbot
würden darin nicht ausgeklammert. Weitere konkrete Ziele: ein landesweiter Biotopverbund (15 Prozent der Landesfläche) bis 2023 sowie von der Bewirtschaftung ausgenommene
Gewässerrandstreifen von 3 bis zehn Metern (je nach Gewässerordnung).
Als Beweis dafür, dass das nach der Sommerpause zur endgültigen Beratung vorgesehene Maßnahmenpaket erhebliches Gewicht hat, nennt Brammer mehrere Punkte: 30 Millionen Euro sollen
jährlich in den kommenden drei Jahren zusätzlich in den Naturschutz fließen, 15 zusätzliche Ökologische Stationen zur Gebietsbetreuung sogenannter Natura-2000-Gebiete bis 2025 geschaffen
werden. Gleichzeitig hält es der SPD-Landtagsabgeordnete für wichtig, dass die Entschädigungen klar geregelt sind. „Die Landwirte müssen für Beschränkungen ihrer Arbeit einen finanziellen
Ausgleich erhalten“, sagt er. Nur miteinander könne das Projekt ein Erfolg werden. „Die jetzt erfolgte Polarisierung vor Ort hilft nicht weiter.“ Er wünsche sich, dass auch innerhalb des
Nabu über den Niedersächsischen Weg inhaltlich diskutiert werde.
Die Linke
Erhalt und Schutz der Natur und Artenvielfalt seien eine Aufgabe, die alle angehe. „Der Erfolg hängt davon ab, dass alle Seiten an einem Strang ziehen: Politik, Landwirtschaft,
Naturschutzverbände, Handel und Verbraucher“, hat bereits der Sprecher der Linken im Kreis Oldenburg, Frans Haverkort (Kirchhatten), gewarnt. Das unterstützenswerte Ziel der Artenvielfalt
werde mit dem Volksbegehren womöglich eher gefährdet.
landvolk/Landwirte
„Obwohl es bereits einen Zusammenschluss von vielen Beteiligten gibt, schert der Nabu aus und zieht einen Alleingang vor. So funktioniert keine nachhaltige Kooperation“, kommentiert Thale
Meyer vom Kreislandvolkverband Oldenburg die Aktion.
„Der Niedersächsische Weg ist vom Nabu unterschrieben worden. Wir fragen uns, warum diese Art der Zusammenarbeit hintergangen wird und sind enttäuscht von dem Verhalten“, betont
ihrerseits Landwirtin Karin Lüschen-Strudthoff aus Tweelbäke.
15 Landwirte und deren Frauen hatten nach eigenen Angaben den Stand der Nabu-Ortsgruppe Hatten auf dem Auvers-le-Hamon-Platz besucht, um dort ins Gespräch über das Volksbegehren
Artenschutz zu kommen. Als schockierend haben es die Landwirte nach eigenen Angaben empfunden, wie wenig die Bürger über den Inhalt des Papiers informiert waren. „Die meisten haben den
Gesetzestext gar nicht gelesen. Sie lesen nur „Artenschutz“ und unterschreiben. Welche Einschnitte das Volksbegehren auf das tägliche Leben hat, ist kaum jemandem klar“, erzählt Petra
Schütte-Lange (Sandkrug).
Unterschreiben sei leicht, das Umsetzen aber nicht, mahnen die Landwirte an und rufen den Nabu auf, zur Zusammenarbeit zurückzukehren. „Naturschutz kann nur funktionieren, wenn man
kooperiert und mit allen Beteiligten ins Gespräch geht“, meint Thale Meyer vom Kreislandvolk.
Der Bürgermeister
Hattens Bürgermeister Christian Pundt sagt: „Nach anfänglicher Freude, dass sich neben der Coronapandemie Menschen weiter um Umweltschutz bemühen, plädiere ich für einen gemeinsamen Weg
und bin ein wenig ernüchtert.“ Artenvielfalt, wie sie wohl jeder wolle, könne nur gemeinsam erreicht werden. „Deshalb sollten wir weiter mit dem Thema Regionalität und regionale
Wertschöpfung auf die Zusammenarbeit mit den Akteuren setzen und nicht Fronten aufbauen. Der eingeschlagene Niedersächsische Weg sei doch ein sehr gutes Beispiel, wie es funktionieren
könnte.“
Der Nabu Hatten
Mehr als 100 Unterschriften hat der Nabu Hatten bislang für das Volksbegehren gesammelt. „Der Anfang ist gemacht“, sagt Helmuth Koopmann und spricht von einer erwarteten Resonanz. Weitere
Aktionen sollen folgen. Inhaltlich gebe es zwischen dem, was das Volksbegehren Artenvielfalt will und dem Niedersächsischen Weg nur wenige Unterschiede. „Deshalb dürften die Landwirte
eigentlich gar kein Problem haben“, betont er.
Ziel des Volksbegehrens Artenvielfalt sei es auch, den Druck auf die Akteure auf Landesebene aufrechtzuerhalten. „Die Inhalte dürfen nicht bis zur Gesetzgebung verwässert werden“, warnt
Koopmann, selber SPD-Mitglied. Sein Eindruck: Vielen Landwirten seien die Inhalte des Niedersächsischen Wegs gar nicht klar. „Wenn Axel Brammer es schafft, diese Ziele gesetzlich
verankern zu lassen, sind wir die ersten, die das Volksbegehren abblasen“, so Koopmann.